Hannover

Handwerk mit FiF - Frauen in Führung

Etwas mit den eigenen Händen schaffen, reparieren oder verändern. Immer mehr Frauen finden im Handwerk ihren Traumberuf. Aber eine Führungsposition einnehmen? Entscheidungen treffen? Kollegen und Kolleginnen sagen, was sie tun sollen? Dazu gehört Selbstbewusstsein. Und das ist bei der jungen Bäckergesellin Mangelware.
Sie arbeitet allein unter Männern und hat große Probleme, sich durchzusetzen. Doch ihr Chef sieht Potenzial in ihr und möchte ihr helfen, dieses zu entdecken. So meldet er sie bei „Handwerk mit FiF – Frauen in Führung“ an.

Das Feedback aus dem Netzwerk von Frauen im Handwerk, welches die Handwerkskammer Hannover durch regelmäßig stattfindende Veranstaltungen unterstützt, bildete den Grundstein für das Projekt.
Der Bedarf, Frauen in Führungspositionen mehr zu fördern, damit diese sich in der Führungsrolle sicherer fühlten, bestand schon vor vielen Jahren. Auch die Akzeptanz von führenden Frauen in den Betrieben war ein Thema mit Potenzial. Gemeinsam mit einer Arbeitsgruppe des Ministeriums wurde die Idee für ein Empowerment für Frauen im Handwerk entwickelt. 2017 war es dann soweit und „FiF“ startete in seine erste Runde.

Die Betriebe investieren in die Frauen
„Es gab natürlich schon vorher Workshops und Seminare, in denen Frauen sich weiterbilden konnten“, erläutert Katja Mikus von der Projekt- und Servicegesellschaft mbH der Handwerkskammer Hannover (PSG). „Aber diese werden von den Teilnehmerinnen häufig in ihrer Freizeit besucht und dauern meist nur ein paar Tage.“
Eine Besonderheit an „FiF“ ist, dass die Betriebe die Frauen für die Teilnahme in einem größeren Umfang freistellen. „Sie investieren also und sind deswegen auch mehr involviert und interessiert“, sagt Katja Mikus. Die Frauen wiederum spüren, dass ihr Betrieb hinter ihnen steht , langfristig mit ihnen plant und sie bei ihrer Weiterentwicklung unterstützt.

Auch der Chef von Vanessa Gluth war sofort einverstanden, als seine Stellvertreterin ihn fragte, ob sie an dem Projekt teilnehmen könnte. Die Installateur- und Heizungsbauermeisterin arbeitet für Bad & Wärme Manfred Meyer GmbH Hannover und ging relativ unvoreingenommen zu „FiF“. „Meine Hoffnung war, sowohl an meinen Stärken als auch Schwächen arbeiten zu können und vor allem neue Leute kennenzulernen, mit denen ich mich austauschen kann.“

Frauen wählen die Module selbst
Bevor eine Frau in das Projekt startet, gibt es ein Informationsgespräch mit der PSG, in dem grundsätzliche Dinge geklärt werden: „Welche Erwartungen hat die Teilnehmerin? Was wünscht sie sich?“, präzisiert Katja Mikus‘ Kollegin Wiebke Gisnås.
Voraussetzung für eine Teilnahme sei, dass die Frau eine abgeschlossene Ausbildung oder ein Studium hat, in einem Handwerksbetrieb arbeite und dass dieser zu den KMU-Betrieben zähle. Dann erhalte sie einen Anmeldebogen, wo sie verschiedene Module auswählen könne. „Wir haben Basis-Module, wo im Grunde das Rüstzeug vermittelt wird, das jede Frau in einer Führungsposition braucht“, sagt Katja Mikus. „Dabei geht es um betriebswirtschaftliche und personalwirtschaftliche Themen,  aber auch Führungsthemen und Themen zur Persönlichkeitsentwicklung.“

Bei den Wahl-Modulen wird es dann individueller. Die Frauen können Kurse wählen, die mehr auf sie, ihren Betrieb und ihre Situation zugeschnitten sind. „Dabei geht es zum Beispiel um Themen zur Gesundheitsförderung, Excel oder Datenschutz“, schildert Wiebke Gisnås.
Zusätzlich gibt es noch Coaching und Mentoring, so dass die Teilnehmerinnen insgesamt auf 300 Stunden in zwei Jahren kommen. Die Erfahrung habe gezeigt, dass dieser zeitliche Rahmen ideal sei. Er bietet genug Raum, um alles Wissenswerte zu lernen, es in der Praxis zu erproben und im Rahmen der Seminare noch einmal zu reflektieren und in der Gruppe zu diskutieren.
Denn den Projektmitarbeitern ist wichtig, immer nahe am Betriebsalltag zu sein. „Erlebnisse aus der Praxis werden ausgewertet und gespiegelt“, erklärt Katja Mikus. „Oft verstehen die Frauen dann, wie manche Situationen entstanden sind und was sie hätten anders machen können.“

Nach der Auftaktveranstaltung besuchen die Frauen im Schnitt zweimal im Monat Seminare oder Workshops. Die meisten finden im Tagungszentrum in Garbsen statt, manche werden Online angeboten. Nach Abschluss des Projektes erhalten die Frauen ein Zertifikat. Doch dieses Dokument hat für die meisten im Vergleich zu dem, was sie bei „FiF“ erlebt und gelernt haben, einen eher geringen Stellenwert. „Unter den Frauen entsteht ein unglaubliches Gemeinschaftsgefühl“, schwärmen Katja Mikus und Wiebke Gisnås. „Sie unterstützten sich gegenseitig und stärken einander. Statt sich zu profilieren und ihre Fehler zu verschweigen, sprechen sie offen darüber, um andere Frauen davor zu bewahren. Die Teilnehmerinnen spüren: Sie sind nicht allein.“
Manche von ihnen hätten zuvor Sorge gehabt, ob es in einer Gruppe, die nur aus Frauen bestehe, nicht schnell zu Konflikten komme, doch das Gegenteil sei der Fall.
„Und dieses Zusammengehörigkeitsgefühl bleibt oft bestehen“, weiß Katja Mikus. „Das Netzwerk, das die Frauen aufbauen, ist nachhaltig. Viele halten auch über das Projekt hinaus den Kontakt. Andere kehren als Mentorinnen zurück, um ihre Erfahrungen an die nächste Generation weiterzugeben.“

"Weil wir Frauen im Handwerk brauchen!"

Auch Vanessa Gluth hat noch immer Kontakt zu den Frauen aus ihrer Gruppe und tauscht sich mit ihnen aus. „Meine Hoffnung, mir ein Netzwerk aufzubauen, hat sich erfüllt. Obwohl wir aus verschiedenen Bereichen kommen, haben wir doch alle dieselben Themen.“
Besonders hat sie beeindruckt, welche Entwicklung viele ihrer Mitstreiterinnen durchgemacht haben. „Die Gruppendynamik hat alle verändert. Selbst diejenigen, die anfangs recht still waren, wurden immer selbstbewusster. Ich erinnere mich an eine Frau, die in ihrem Betrieb immer nur als, die Frau vom Chef‘ bezeichnet wurde. Eines Tages kam sie in den Kurs und verkündete stolz, dass sie heute das erste Mal, Chefin‘ genannt worden sei.“

Auch die schüchterne Bäckergesellin, die von ihrem Chef bei „FiF“ angemeldet wurde, durchlebte eine große Wandlung. „Vorher mochte sie kaum vor einer Gruppe sprechen. Auf der Verabschiedungsfeier hielt sie dann eine der Abschlussreden“, schildert Katja Mikus. „Ihr Chef war begeistert. Er sah nun ganz neue Perspektiven für sie und sagte, ihm sei gar nicht bewusst gewesen, wieviel manchmal kleine Dinge bewirken könnten.“
Vanessa Gluth teilt diese Einschätzung. „Ich habe Frauen kennengelernt, die so viel Potenzial haben. Man muss ihnen nur helfen, das zu zeigen.“ Aus diesem Grund kann sie die Teilnahme an „FiF“ nur empfehlen – und hat es auch bereits getan. „Ich kann jedem nur sagen: Es lohnt sich! Meldet euch an, es bringt euch auf jeden Fall weiter!“

Worte, die Katja Mikus und Wiebke Gisnås freuen, denn sie wünschen sich, dass sich in Zukunft noch mehr Frauen für einen Platz bei „FiF“ interessieren. „Wir haben in jedem Projektjahr unterschiedliche Schwerpunkte, aber der Kerngedanke bleibt immer gleich. Es geht darum, Frauen im Handwerk beim Auf- und Ausbau ihrer Führungskompetenz zu unterstützen und sie in Führungspositionen zu bringen.“

Und was antworten sie Skeptikern, die fragen, warum das denn so wichtig sein soll? „Weil wir die Frauen brauchen! Wir müssen diese gutausgebildeten und motivierten Arbeitnehmerinnen in diesem Wirtschaftsbereich halten, um dem Fachkräftemangel begegnen zu können. Und das wird nur gelingen, wenn das Handwerk attraktiv ist – also zum Beispiel Aufstiegschancen bietet. Zudem schaffen wir Vorbilder für junge Frauen, die sich fragen, ob sie einen Beruf im Handwerk anstreben sollen. Wenn sie sehen, dass man auch als Frau dort Karriere machen kann, steigen die Chancen, dass sie sich dafür entscheiden.“

In aller Kürze:
Das Projekt „Handwerk mit FiF – Frauen in Führung“ besteht seit 2017 und ist in der Regel auf zwei Jahre angelegt. Das Angebot wird aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert.
Projektträger ist die Handwerkskammer Hannover Projekt- und Servicegesellschaft.
Die Teilnehmerinnen verbringen rund 300 Stunden im Projekt.

Kontakt
Möchten Sie mehr wissen? Weitere Informationen finden Sie auf der Website der Handwerkskammer Hannover Projekt- und Servicegesellschaft.

Gefördert durch: Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung
Kofinanziert von der Europäischen Union