Die von der Bundesregierung angeführten Ziele – wirtschaftliche Impulse, Interessen von Beschäftigten an Flexibilität und Erhalt des Arbeitsvolumens trotz demografischen Wandels – lassen sich durch weiter deregulierte Arbeitszeiten nicht erreichen, warnen die HSI-Fachleute Dr. Amélie Sutterer-Kipping und Dr. Laurens Brandt.
Denn erstens könne eine weitgehende Lockerung der täglichen Arbeitszeit bestehende gesundheitliche Probleme in der Erwerbsbevölkerung verschärfen, was das Arbeitspotenzial schwächt statt stärkt. Zweitens würde sich die Vereinbarkeit von Beruf und Familie weiter verschlechtern, was insbesondere die Teilnahme von Frauen am Erwerbsleben einschränkt.
"Eine Arbeitszeitderegulierung, die Erkenntnisse von Arbeitsmedizin und Arbeitsforschung ausblendet und an der sozialen Realität vorbeigeht, dürfte wirtschaftlich sogar kontraproduktiv wirken. Denn sie würde gerade jene Entwicklungen bremsen, die in den vergangenen Jahren wesentlich zu Rekordwerten bei Erwerbstätigkeit und Arbeitsvolumen beigetragen haben und gleichzeitig Probleme bei Gesundheit und Demografie verschärfen", sagt Expertin Sutterer-Kipping.
Laut den aktuellen Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, ist die Erwerbsquote von Frauen zwischen 1991 und 2022 um 16 Prozentpunkte auf 73 Prozent gestiegen. "Die Entwicklung der Arbeitszeit zeigt, dass wir uns zunehmend weg vom traditionellen Alleinverdienermodell zu einem Zweiverdienerhaushalt hinbewegen", analysieren Sutterer-Kipping und Brandt. Dementsprechend steigt das Gesamtarbeitszeitvolumen insgesamt, während die durchschnittlichen Jahresarbeitszeiten gesunken sind.
Die durchschnittlich geleistete Arbeitszeit der Beschäftigten lag laut IAB 1991 noch bei rund 1.478 Stunden und im Jahr 2023 bei 1.295 Stunden. Der Rückgang ist stark auf die kontinuierlich gestiegenen Teilzeitquoten zurückzuführen. Knapp ein Drittel der Beschäftigten arbeitete 2023 in Teilzeit, unter den erwerbstätigen Frauen sogar fast jede zweite, und das nicht immer freiwillig. Gerade bei Müttern schränken unbezahlte Sorgearbeit und unzureichende Betreuungsmöglichkeiten die Kapazitäten für den Erwerbsjob ein.
Rechnerisch senkt das die durchschnittliche Jahresarbeitszeit pro Kopf, was zu einer im europäischen Vergleich relativ geringen durchschnittlichen Arbeitszeit aller Beschäftigten von 34,7 Stunden pro Woche führt. An diesen Zusammenhängen würde eine Aufweichung des Arbeitszeitgesetzes nichts verbessern, im Gegenteil.
Geltendes Recht sorgt für erhebliche Flexibilität
Vereinbarkeit von Beruf und Familie leidet
Durch die Einführung einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit werden Betreuungskonflikte nicht gelöst, sondern verschärft, so die Forschenden. "Die Vorhersehbarkeit und Planbarkeit von Arbeitszeiten stellen wichtige Schlüsselfaktoren für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie dar. Es droht der Effekt einer weiteren Verringerung der Erwerbsarbeit gerade bei Frauen." Das schwächt nicht nur das aktuelle Arbeitsangebot. Langfristig verhindert die ungleiche Teilhabe am Arbeitsmarkt die eigenständige Existenzsicherung im Lebenslauf, schmälert nachweislich Aufstiegs- und Weiterbildungschancen und erhöht das Risiko für Altersarmut.
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