Tag der offenen Tür

Die bunten Legosteine in den durchsichtigen Behältern haben eine geradezu magische Anziehungskraft. Nahezu alle Gästinnen und Gäste, die den Raum im Erdgeschoss der Koordinierungsstelle frau+wirtschaft im Landkreis Nienburg betreten, steuern als erstes den Tisch an – und bleiben verblüfft stehen, wenn sie die Anweisung lesen, die dort aufgeklebt ist: "Baue ein Modell von Dir in einer Situation eines beruflichen Erfolges! Nutze dafür 15 Teile. Du hast 3 Minuten Zeit!" Das freudige Lächeln verwandelt sich in ein überraschtes. Ratlose Blicke werden getauscht.
Damit hatte wohl niemand gerechnet: Beim Tag der offenen Tür, am 14. Mai, mit dem die Ko-Stelle Nienburg zeitgleich ihr 15-jähriges Bestehen feierte, hieß es nicht nur gucken, reden und anstoßen, sondern auch mitmachen!

Insgesamt vier Stationen hatten Katrin Fedler, Catrina Lohmeyer und Ewelina Bujalski aufgebaut. Eine davon lockte mit den beliebten Klemmbausteinen, die nicht nur Kindheitserinnerungen wecken, sondern auch Dinge aus dem Unterbewusstsein emporholen können. "Nicht lange nachdenken", ermunterte Katrin Fedler. "Einfach mal mit den Händen denken!"
Kreisrätin Katrin Woltert griff sofort beherzt in die Behälter, stellte aber nach wenigen Augenblicken beinahe schockiert fest: "Da sind ja gar keine weiblichen Legofiguren drin!“

Doch auch dieser kleine Schönheitsfehler konnte die Stimmung nicht trüben. Die zahlreichen Besucherinnen und Besucher, bei denen es sich hauptsächlich um Netzwerkpartner*innen und Unterstützer*innen der Ko-Stelle handelte, plauderten und lachten. Darunter waren auch Ulrike Westphal, Leiterin der Abteilung 2, Frauen und Gleichstellung, aus dem Niedersächsischen Ministerium Soziales, Arbeit, Gesund und Gleichstellung, sowie ihre Kollegin Heike Schmalhofer, Leiterin des Referats Frauen und Erwerbstätigkeit.
Beide waren anlässlich des Tages der offenen Tür im Monat der Chancengleichheit für Frauen am Arbeitsmarkt, den das Ministerium ausgerufen hatte, extra aus Hannover angereist und nahmen mit den übrigen Gästinnen und Gästen die Mitmach-Stationen in Augenschein.

An einem Tisch standen auf mehreren Karten Beispiele über die ungleiche Behandlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt. Wer zustimmen konnte, warf eine grüne Perle in das Glas daneben, wer ablehnte, eine rote, wer unentschlossen war, eine durchsichtige. "Es gibt kein Richtig oder Falsch", stellte Catrina Lohmeyer klar. "Man soll einfach nur darüber miteinander ins Gespräch kommen."

"Wir öffnen Türen"
Anschließend ging es hoch in den ersten Stock, wo Katrin Fedler ihre Besucherinnen und Besucher offiziell begrüßte. Sie blickte zurück auf 15 Jahre Ko-Stelle im Landkreis Nienburg und verglich die Arbeit ihres Teams mit einem Schlüssel, durch den sie Frauen verschiedene Türen öffnen konnten, die sonst verschlossen geblieben wären. "Wir öffnen Türen für Frauen, die keinen Führerschein haben, in dem wir in die Orte kommen. Wir öffnen Türen für Alleinerziehende, durch unseren Alleinerziehendentreff. Wir öffnen Türen für Frauen, die keine Kinderbetreuung haben, indem wir ihnen anbieten, die Kinder zur Beratung mitzubringen. Und als die Pandemie alle Türen schloss, öffneten wir sie im Internet."

Kreisrätin Katrin Woltert lobte die Zusammenarbeit mit der Ko-Stelle, in der sie gleich nach ihrer Amtsübernahme eine zuverlässige Ansprechpartnerin für ihre Projekte gefunden habe. "Eine Region ist so stark wie die Chancen, die sie den Menschen bietet. Die Ko-Stelle tut genau das", schloss Woltert.
Ulrike Westphal erinnerte an die Geburtsstunde der Koordinierungsstellen in Niedersachsen: "1991 starteten mit Vechta, Leer und Göttingen die ersten drei. Schon damals hatte man den drohenden Fachkräftemangel im Blick und das  erste Frauenministerium war gerade gegründet worden. Es war die Zeit der zweiten Frauenbewegung, in der es um Schutz vor Gewalt und ökonomische Unabhängigkeit ging."
Dass die Ko-Stellen die regionalen Betriebe und arbeitssuchenden Frauen auf so kurzen Wegen zusammenbrächten, sei ihrer Meinung nach einzigartig in ganz Deutschland. "Die Ko-Stellen haben sich gut entwickelt, das Konzept ist aufgegangen", resümierte Westphal, mahnte aber auch: "Nichts ist selbstverständlich! Der Fortschritt ist eine Schnecke, vor allem in der Gleichstellung."

Claudia Sanner, Vorständin des VNB, der Träger der Ko-Stelle Nienburg ist, stimmte ihr zu: "Eigentlich sollten wir schon weiter sein. Aber meist fehlt die Unterstützung durch die Chefs, vor allem wenn Männer in Elternzeit gehen wollen."
Dass man trotzdem niemals die Flinte zu früh ins Korn werfen sollte, wusste Gleichstellungsbeauftragte Petra Bauer zu berichten, die die Ko-Stelle Nienburg nach deren Gründung gemeinsam mit Ulla Althoff leitete. "Als wir auf ein Ko-Stellen-Treffen kamen, sagte man uns, wir bräuchten gar nicht erst anzufangen, die Förderung sei zu Ende .“

Ein besonderes Online-Angebot
Nach den verschiedenen Redebeiträgen ging es zum gemütlichen Teil über. Ulrike Westphal und Heike Schmalhofer ließen sich an einer Station von Catrina Lohmeyer das besondere Online-Angebot der Ko-Stelle Nienburg erläutern. "Es gibt sieben verschiedene Online-Kurse. Die ersten beiden sind während der Pandemie entstanden. Da wir uns nicht mehr treffen konnten, haben die Coaches sich auf Video aufgezeichnet. Danach kamen weitere Kurse hinzu. Nun können die Frauen sie sich jederzeit am Laptop oder auf dem Handy anschauen. Dafür müssen sie sich lediglich anmelden und erhalten dann einen Zugang."
Die Kurse behandeln Themen wie Vorstellungsgespräche, Gehaltsverhandlungen, Grundlagen für Rhetorik oder auch den Umgang mit einem toxischen Chef. Jeder Kurs umfasst mehrere Videos. Das Interesse an ihnen sei sehr groß.
Heike Schmalhofer und Ulrike Westphal zeigten sich begeistert. "Das könnte man doch mit anderen Ko-Stellen weiterentwickeln!"

Als die beiden sich den neuen Internetauftritt der Ko-Stelle Nienburg anschauten und dabei auf die Rubrik der Mutmacherinnen stießen, wurde es hinter ihnen lebendig: Mehrere Gästinnen strahlten und deuteten auf den Bildschirm – denn dort standen ihre Geschichten! Auch ihnen hatte das Team der Koordinierungsstelle einst auf ihrem beruflichen Weg weitergeholfen. Nun sind sie von Ratsuchenden zu Partnerinnen geworden.

Gefördert durch: Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung
Kofinanziert von der Europäischen Union