Mit dem Teilhabechancengesetz möchte die Bundesregierung die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung von Menschen fördern, die seit langer Zeit arbeitslos sind und Arbeitslosengeld II bezogen haben. Das dort vorgesehene Förderinstrument “Teilhabe am Arbeitsmarkt” (§16i SGB II) können Personen in Anspruch nehmen, die in den sieben Jahren vor Förderbeginn für mindestens sechs Jahre Arbeitslosengeld II bezogen haben und in dieser Zeit höchstens kurzzeitig beschäftigt waren. In den ersten beiden Jahren der Förderung erhalten Betriebe, die diese Personen beschäftigen, einen Zuschuss von 100 Prozent des gesetzlichen Mindestlohns, des geltenden Tariflohns oder des kirchenrechtlichen Lohns. Die geförderten Beschäftigten werden zudem durch Job-Coaches betreut, die die Geförderten in vielfältiger Weise bei der Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit unterstützen.
Für die Teilnahme an der Förderung zeigte das IAB bereits in seinem Zwischenbericht zur Evaluation des Teilhabechancengesetzes, dass 54 Prozent der förderfähigen Personen Frauen sind, aber nur 38 Prozent der Teilnehmenden. Damit ist die Förderquote der Frauen ähnlich niedrig wie in vergleichbaren Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik in 2019. Doch auch innerhalb der Gruppe der Geförderten zeigen sich geschlechtsspezifische Unterschiede: Wie im Folgenden gezeigt wird, sind die Arbeitszeiten von geförderten Männern länger und deswegen auch die Monatsverdienste höher als die von geförderten Frauen. Die Analyse basiert auf Daten der ersten Welle der Befragung „Lebensqualität und Teilhabe“, die das IAB im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales durchführt.
Aus Platzgründen beschränken wir uns hier auf die durch das Förderinstrument “Teilhabe am Arbeitsmarkt” (§16i SGB II) Geförderten. Das Teilhabechancengesetz umfasst auch die Förderung “Eingliederung von Langzeitarbeitslosen” für Personen, die vor dem Förderbeginn seit mindestens zwei Jahren arbeitslos waren (§16e SGB II). In weiteren hier nicht berichteten Analysen zeigen sich für diese Gruppe sehr ähnliche Arbeitszeit-, Monatsverdienst- und Stundenlohn-Unterschiede zwischen Frauen und Männern wie sie im Folgenden vorgelegt werden.
Geförderte Männer arbeiten zum Großteil in Vollzeit – geförderte Frauen eher in Teilzeit
Die auf Basis der Förderung “Teilhabe am Arbeitsmarkt” (§ 16i SGB II) beschäftigten Männer sind zum Großteil (64%) in Vollzeit tätig, genauer gesagt mit mehr als 30 Stunden pro Woche. Die geförderten Frauen arbeiten hingegen nur zu 30 Prozent in Vollzeit. Im Durchschnitt beträgt die Arbeitszeitdifferenz fünf Stunden pro Woche. Die geringeren Arbeitszeiten könnten zur Folge haben, dass Frauen hinsichtlich ihrer sozialen Teilhabe weniger von der Förderung profitieren als Männer und zudem weniger Erwerbserfahrung sammeln als diese. Dies könnte nach Ende der Förderung Nachteile für Frauen beim Sprung in den ersten Arbeitsmarkt nach sich ziehen.
Es stellt sich die Frage, ob die geförderten Frauen gerne mehr arbeiten würden, oder ob die geringeren Arbeitszeiten ihren Wünschen beziehungsweise Möglichkeiten entsprechen. Letzteres erschiene vor allem dann plausibel, wenn viele Mütter betreuungspflichtiger Kinder unter den geförderten Frauen wären. Denn gerade Mütter arbeiten häufig in Teilzeit, um Beruf und Familie besser vereinbaren zu können, etwa weil sie keine Ganztagsbetreuung für ihre Kinder finden. Die Befragungsdaten weisen in der Tat in diese Richtung: 39 Prozent der geförderten Frauen sind Mütter betreuungspflichtiger Kinder, wohingegen nur 17 Prozent der geförderten Männer Väter betreuungspflichtiger Kinder sind.
Dieser Unterschied spiegelt den generell höheren Anteil von Personen mit Kindern im Haushalt unter den förderfähigen Frauen gegenüber den Männern wieder (siehe Bauer et al., 2021), d.h. aus den Befunden folgt nicht, dass Mütter eine höhere Förderquote als Väter aufweisen. Die unterschiedliche Häufigkeit von Kindern im Haushalt erklärt nichtsdestotrotz nur den kleineren Teil der geschlechtsspezifischen Arbeitszeitdifferenz. Vergleicht man nämlich nur kinderlose Personen, bleibt immer noch ein Geschlechterunterschied von 4,3 Arbeitsstunden pro Woche.
Geförderte Frauen erzielen deutlich geringere Monatsverdienste als Männer, aber ähnlich hohe Stundenlöhne
Die eben beschriebenen erheblichen Arbeitszeitunterschiede zwischen geförderten Männern und Frauen schlagen sich in deutlich geringeren Bruttomonatsverdienst der Frauen nieder: Geförderte Männer verdienen im Durchschnitt 1.717, Frauen nur 1.413 Euro pro Monat. Dies entspricht einer prozentualen Differenz von 17,7 Prozent bezogen auf den Durchschnittsverdienst der Männer. Berücksichtigt man strukturelle Merkmale wie Bildungsabschlüsse, Erwerbserfahrung oder den ausgeübten Beruf, verbleibt noch immer eine geschlechtsspezifische Differenz in den Monatsverdiensten von 13,1 Prozent. Die geförderten Frauen verdienen also auch dann noch deutlich weniger pro Monat als Männer, wenn sie in vielen persönlichen und beruflichen Merkmalen übereinstimmen, die in den Befragungsdaten beobachtbar sind. Damit ist deren materielle Teilhabe geringer als die der geförderten Männer und sie sind stärker vom Verdienst anderer Haushaltsmitglieder abhängig.
Bei den Stundenlöhnen von Frauen und Männern in der geförderten Beschäftigung zeigen sich allerdings deutlich geringere Unterschiede als bei den Monatsverdiensten. Die prozentuale Differenz der Mittelwerte, die häufig als „unbereinigter Gender Pay Gap“ bezeichnet wird, beträgt hier 3,5 Prozent. Berücksichtigt man wiederum strukturelle Unterschiede, bleibt ein bereinigter Gender Pay Gap bei den Stundenlöhnen von 2 Prozent. Diese Differenz ist in der Stichprobe nicht statistisch signifikant.
Damit besteht allenfalls ein sehr kleiner Geschlechterunterschied in den Stundenlöhnen der geförderten Beschäftigten, wenn zahlreiche Strukturunterschiede herausgerechnet werden. Dies zeigt: Der Unterschied in den Monatsverdiensten liegt hauptsächlich an den im Durchschnitt höheren Wochenarbeitszeiten der Männer.
Das statistische Bundesamt hat 2018 für die Grundgesamtheit der abhängig Beschäftigten in Deutschland einen bereinigten Gender Pay Gap in den Stundenlöhnen von rund 6 Prozent ausgewiesen. Diese Zahl wird oft als Obergrenze für potenzielle Lohndiskriminierung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt interpretiert. Der Vergleich macht deutlich: In der geförderten Beschäftigung fällt die potenzielle Lohndiskriminierung von Frauen mit 2 Prozent wesentlich geringer aus als auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.
Allerdings könnten weitergehende geschlechtsspezifische Unterschiede etwa bei Berufsabschlüssen oder bei der Erwerbserfahrung auch das Ergebnis gesellschaftlicher Strukturen sein, die Frauen benachteiligen. Das Ausmaß der gesamten Benachteiligung von Frauen wird durch die bereinigte Differenz daher möglicherweise unterschätzt. Folglich sollten die bereinigte und die unbereinigte Differenz idealerweise immer gemeinsam betrachtet werden.
Die Arbeitszeitunterschiede zwischen kinderlosen Frauen und Männern sind kleiner als bei Eltern, aber dennoch erheblich
Eine naheliegende Frage ist, ob die Arbeitszeit- und Verdienstunterschiede zwischen geförderten Frauen und Männern darauf zurückzuführen sind, dass mehr Mütter unter den geförderten Frauen sind. Die Mütter könnten möglicherweise im Durchschnitt einen höheren Anteil der Betreuungspflichten für Kinder übernehmen und deshalb weniger Zeit für Erwerbsarbeit haben. Der durchschnittliche Unterschied in den Arbeitszeiten von Frauen und Männern ist innerhalb der Gruppe der Eltern um zwei Stunden größer als bei kinderlosen Personen. Dies bestätigt die Vermutung, dass Mutterschaft und die ungleiche Verteilung von Betreuungsarbeit für die Erklärung der geringeren Arbeitszeiten der Frauen eine wichtige Rolle spielen.
Allerdings liegt der Arbeitszeit-Unterschied bei kinderlosen Frauen und Männern immer noch bei durchschnittlich vier Stunden und ist damit erheblich. Es könnte also auch sein, dass die geförderten Frauen eine stärkere Präferenz für Teilzeitarbeit haben, z.B. aufgrund traditioneller Rolleneinstellungen, und deshalb weniger arbeiten. Unabhängig von den möglichen Gründen für Teilzeitarbeit schlägt sie sich in deutlich geringeren Monatsverdiensten insbesondere der Mütter gegenüber den Vätern nieder. Hier beträgt der Unterschied durchschnittlich 375 Euro oder 21,5 Prozent bezogen auf den Durchschnittsverdienst der Männer.
Fazit
Die hier präsentierten Ergebnisse stellen ein erstes Zwischenfazit zu den Geschlechtsunterschieden bei diesem Förderinstrument dar. Unklar ist, inwiefern sich die geschlechtsspezifischen Arbeitszeit- und Einkommensunterschiede innerhalb der Förderung auch in Unterschiede bei der sozialen Teilhabe oder der Beschäftigungsfähigkeit übersetzen. In einer weiteren Evaluation des Teilhabechancengesetzes wird das IAB dieser Frage nachgehen. Frühzeitig einsetzende Maßnahmen könnten jedoch möglicherweise dabei helfen, um eine eventuelle Benachteiligung von Frauen innerhalb der Förderung zu reduzieren.
Quelle: www.iab-forum.de