Gibt es zu wenig Frauen in Handwerk und Technik? Hierzu ein Beispiel: Im zukunftsträchtigen Sanitär- und Heizungsbau (bezogen etwa auf die Potenziale der Solarenergie) lag der Frauenanteil bei den Auszubildenden nach Information des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2020 bei gerade mal 1,5 Prozent. Und Straßenbauerin wollen sogar nur 0,82 Prozent Mädchen lernen, so eine Pressemitteilung des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie e. V. vom April diesen Jahres.
Im gesamten Handwerk sind es lediglich rund ein Fünftel aller neuen Ausbildungsverträge, die 2019 mit Mädchen geschlossen wurden, berichtet der Zentralverband des deutschen Handwerks auf seiner ZDH-Website „Frauen des Handwerks“. Alles in allem also ernüchternde Zahlen. Positive Entwicklungen gibt es dagegen in ausgewählten Berufen, zu vermelden, so der ZDH. So ist der Anteil weiblicher Auszubildender innerhalb von 15 Jahren gestiegen: Bei den Konditorinnen um 61 Prozent, bei den Raumausstatterinnen um 48 oder bei den Orthopädieschuhmacherinnen um 28 Prozent.
Frauen werden sichtbar
7.300 weibliche Auszubildende gab es 2018 in ausgewählten Handwerksberufen, die als sogenannte Mangelberufe bezeichnet werden: in der Bauelektrik, in der Kraftfahrzeugtechnik, im Metallbau oder auch im Fleischereihandwerk. Das sind 30 Prozent mehr Frauen als noch vor 10 Jahren gemäß den Berechnungen des Statistischen Bundesamtes. Dennoch sind aber nach wie vor die meisten weiblichen Azubis des Handwerks im Friseurberuf oder als Fachverkäuferin im Lebensmittelhandwerk zu finden. Grund genug, die Sicht von Expert*innen einzuholen, die tagtäglich mit diesem Phänomen befasst sind.
Ute Wehling von der Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade (HWK BLS) ist so eine Expertin, die ein Siegel „Handwerk ist hier auch Frauensache“ an Unternehmen vergibt. Zum Handlungsbedarf sagt sie: „Das Handwerk ist in weiten Bereichen unverändert männlich. Trotz aller gut gemeinten Projekte und Initiativen der vergangenen Jahrzehnte ist es uns nicht gelungen, diesen Trend zu ändern. Umso wichtiger ist es unserer Ansicht nach, Klischees hinsichtlich der Berufsorientierung aufzubrechen, und zwar nicht nur bei den jungen Menschen, die vor der Berufswahl stehen, sondern gerade auch bei den ausbildenden Betrieben. Die HWK BLS gehört zu jenen Kammern, die auch die bundesgeförderte „Initiative Klischeefrei“ durch eine Partnerschaft unterstützen. Christina Völkers, die in der norddeutschen Handwerkskammer (HWK BLS) eine Koordinierungsstelle zur Frauenförderung leitet, beobachtet inzwischen einen Wandel im Hinblick auf die Rolle der Frau im Handwerk. Es gehe zwar nur langsam mit den Zahlen nach oben, aber es ist ein Lichtblick, so Völkers. „Gerade in den letzten zwei Jahren ist zu beobachten, dass wir eine andere Generation am Start haben. Die jungen Frauen bringen ein starkes Selbstbewusstsein mit und ein Freiheitsgefühl, das heißt, dass sie sich nichts mehr sagen lassen, bezogen auf ihre Berufswahl. Also das betrifft nicht alle, aber es ist sichtbar. Und die jungen Frauen, aber auch die jungen Männer wählen zunehmend aus einer größeren Bandbreite von Berufen.“
Während es in den 1990-er Jahren Einzelkämpferinnen im Handwerk gab, die oft gegen jeglichen Widerstand von Eltern, Freund*innen, Kolleg*innen und Meistern im Betrieb ihren Berufswunsch durchgesetzt hatten, wirken nun gesellschaftliche Veränderungen, so Christina Völkers. Natürlich hätten da auch die jeweiligen Initiativen und Mädchenprojekte ihren Anteil, aber eben auch veränderte Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel, dass Männer nun Elternzeit nehmen können. Entscheidend seien aber, wie viele Interviews mit jungen Frauen zeigen, dass sie selbstverständlicher einen angeblich untypischen Beruf wählen, sei es als Malerin, Tischlerin oder Dachdeckerin. Und dass heute auch die Söhne von Inhabern wagen, eine eigene Berufsentscheidung zu treffen und nicht automatisch in die Fußstapfen des Vaters treten, um den Handwerksbetrieb fortzusetzen.
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