Beim Thema Gleichstellung liegt der Osten vorn

Frauen in West- wie in Ostdeutschland haben in Puncto Bildung, Erwerbstätigkeit und soziale Absicherung in den vergangenen Jahren gegenüber Männern aufholen können. Trotzdem gibt es bei der Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt weiterhin erhebliche Unterschiede zwischen Ost und West. Den aktuellen Stand und sinnvolle Strategien für Fortschritte beleuchtet anhand der neusten verfügbaren Daten eine Studie, die das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung vorlegt.

Bei 15 von 22 wichtigen Indikatoren zu Themen wie Erwerbsbeteiligung, Arbeitszeit, Bezahlung, Führungspositionen oder Absicherung im Alter sind die Abstände zwischen Männern und Frauen im Osten spürbar kleiner als im Westen – allerdings beim Einkommen auf insgesamt niedrigerem Niveau. Und auch wenn die Gleichstellung in beiden Landesteilen vielfach vorangekommen ist, bleibt das Tempo oft niedrig und die durchschnittliche berufliche, wirtschaftliche und soziale Situation von Frauen weiterhin meist schlechter als die von Männern.

„Die Ergebnisse unserer Studie belegen weiterhin klar erkennbare Geschlechterungleichheiten zu Ungunsten von Frauen. Meist sind die etwas ausgeprägter in Westdeutschland und etwas abgeschwächter in Ostdeutschland“, sagt Prof. Dr. Bettina Kohlrausch, wissenschaftliche Direktorin des WSI. „Unter dem Strich ist der Osten bei einigen wichtigen Aspekten der Gleichstellung also etwas fortschrittlicher. Dass erwerbstätige Frauen im Osten etwas weniger Rückstand auf die Männer haben, ist nach 33 Jahren deutscher Einheit allerdings nicht immer eine gute Nachricht, vor allem bei den Einkommen nicht“, betont Kohlrausch. So erhalten 12 Prozent der weiblichen Vollzeitbeschäftigten im Osten nur maximal 2000 Euro brutto pro Monat. Der Geschlechterunterschied ist dabei zwar kleiner als im Westen, allerdings auch deshalb, weil männliche Erwerbstätige im Osten ebenfalls häufiger als im Westen nur ein Niedrigeinkommen erzielen.

Mehr Frauen in West und Ost erwerbstätig – aber Zunahme vor allem bei der Teilzeit
Die Auswertung, die WSI-Forscherin Dr. Yvonne Lott und Expert*innen des Berliner SowiTra-Instituts verfasst haben, zeigt unter anderem: Bei der formalen beruflichen Qualifikation haben Frauen im Westen weitgehend mit den Männern gleichgezogen, in Ostdeutschland liegen sie sogar leicht vorne. Bei der Erwerbsbeteiligung zeigen sich hingegen trotz Annäherungen noch deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern und zwischen Ost- und Westdeutschland.
So lag die Erwerbstätigenquote westdeutscher Frauen 2021 um knapp acht Prozentpunkte unter der von westdeutschen Männern (71,5 Prozent vs. 79,4 Prozent). 1991 war die Differenz indes noch fast dreimal so groß. Auch die Erwerbstätigenquote von Frauen in Ostdeutschland ist mit aktuell 74,0 Prozent höher als 1991, und der Abstand gegenüber ostdeutschen Männern (78,5 Prozent) von knapp 12 auf gut vier Prozentpunkte gesunken. In den letzten Jahren hat sich in beiden Landesteilen allerdings wenig getan.

Der langfristige Aufholprozess bei der Erwerbsbeteiligung beruht allerdings vor allem auf mehr weiblicher Teilzeitarbeit. In Ostdeutschland ist der Anteil der Teilzeitstellen an allen Beschäftigungsverhältnissen von Frauen zwischen 1991 und 2021 um 15,7 Prozentpunkte gewachsen, im Westen um 13,5 Prozentpunkte. Trotz eines insgesamt geringfügigen Rückgangs seit Ende der 2010er Jahre lag die Teilzeitquote der westdeutschen Frauen zuletzt bei 47,8 Prozent, das ist deutlich über der der ostdeutschen (33,2 Prozent). Auch bei Männern ist der Teilzeitanteil über die vergangenen drei Dekaden gewachsen, er fällt indes weitaus niedriger aus und betrug 2021 in Ost und West je 11,7 Prozent.

Rückstand gegenüber Männern bei der Arbeitszeit: 4,6 Stunden im Osten, sogar 8,4 im Westen
Die unterschiedlichen Teilzeitquoten führen auch zu erheblichen Differenzen bei der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit im Erwerbsjob: In den westlichen Bundesländern liegt diese für Frauen bei 30 Stunden, das sind 8,4 Stunden weniger als bei westdeutschen Männern. In den östlichen Bundesländern ist die durchschnittliche Arbeitszeit weiblicher Erwerbstätiger höher und der Abstand geringer: Sie beträgt 33,9 Stunden, 4,6 Stunden weniger als bei den Männern. In beiden Landesteilen ist der Rückstand der Frauen in den vergangenen Jahren leicht gesunken.

Der Anteil der erwerbstätigen Frauen, die lediglich einen Minijob haben, war 2021 mit 15,1 Prozent im Westen sogar fast doppelt so hoch wie in Ostdeutschland mit 8,6 Prozent – obwohl dieser Anteil in den vergangenen 20 Jahren vor allem im Westen spürbar kleiner geworden ist. Ostdeutsche Frauen liegen bei den ausschließlichen Minijobs praktisch gleichauf mit westdeutschen Männern (8,8 Prozent). Dagegen haben im Osten von den Männern lediglich 7,5 Prozent nur eine geringfügige Beschäftigung.

Im Vergleich weniger betroffen als Männer sind Frauen in West und Ost von einer anderen häufig prekären Beschäftigungsform, der Leiharbeit. 2022 waren 3,0 Prozent der ostdeutschen und 2,8 Prozent der westdeutschen Männer Leiharbeitende. Unter den Frauen im Osten galt das für 1,4 Prozent und im Westen für 1,3 Prozent. Auch bei der Arbeitslosigkeit stehen Frauen in beiden Landesteilen etwas besser da als Männer: 2022 hatten 7,9 Prozent der männlichen und 6,8 Prozent der weiblichen abhängig Beschäftigten im Osten keine Arbeit. Im Westen galt das für 5,6 bzw. 5,2 Prozent.

Den gesamten Text finden Sie auf der Seite der Hans-Böckler-Stiftung.

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